Bresser Messier AR-102xs/460 102mm f/4.5 Refraktor - Erfahrungen und Test (mit Rollstuhl / Astronomie mit Handicap)

BRESSER AR 102 XS
 
Die Faszination des Weltalls selber entdecken, Astronomie als Hobby in Theorie und Praxis. Ist das möglich, wenn ich eine körperliche Einschränkung habe? Der AR 102 XS mit 460mm Brennweite  ist ein gutes und kompaktes Teleskop, um transportiert, aufgebaut und bedient zu werden.
Als Betroffener möchte ich sehr ermutigen, sich aktiv auch mit Beobachtungen zu beschäftigen. Man kann sehr viel Genuss und Freude an der Faszination des Weltalls haben!
Den ("Kleinen") Messier AR 102XS  habe ich von den (übrigens sehr!!  freundlichen) Mitarbeitern der Firma Bresser für einen Tauglichkeitstest besorgt. Die Bemühungen und das Engagement sind aus meiner Sicht wegweisend für zukünftige Projekte!
Ich selber sitze im Rollstuhl und habe daher nur begrenzte Möglichkeiten, ein Teleskop zu bewegen und zu bedienen. Ein Teleskop samt Montierung muss also ohne großes Risiko und Kraftaufwand auf - und abgebaut werden können. Es darf nicht schwer oder unhandlich sein. Und es soll schöne Beobachtungen ermöglichen. Größe, Gewicht und Qualität des "Kleinen" sollte also auf meinen (Rolli-) Prüfstand. Hier mein Fazit:
Gewicht: 2,8 Kg sind gut zu handhaben. Das Teleskop ist sehr robust und dennoch nicht wirklich schwer! Gut konstruiert.
Länge: 46 cm Länge sind auch im Rollstuhl kein Problem - also : geeignet.
Der Anschluss passt auf ein Fotostativ genau so wie auf eine größere Montierung für Teleskope. Damit bin ich flexibel, um auch kleinere und leichte Stative zu benutzen. Für 4 Kg sollten sie schon ausgelegt sein. Das Teleskop UND eine angesetzte Kamera oder Zubehör, wie zum Beispiel 2" Okulare mit entsprechendem Zenitspiegel, muss es tragen können. Aber auch damit kann ich etwas benutzen, was im Rollstuhl in der Regel kein Problem in Größe und Gewicht darstellt. Also: Passt.
Werde ich rein visuell genießen, ist ein Fotostativ vollkommen ausreichend. Ich kann das Teleskop gegen die Erddrehug genügend nachführen und bekomme schöne helle Bilder einer großen Himmelsregion. Ein Genuß, die helleren Deep Sky Objekte sehen zu können. Der Mond ist kontrastreich und detailiert an der Licht- und Schattengrenze zu sehen. Krater und Zentralgebirge, Gebirgszüge und natürlich die Mare werden schön abgebildet. Geht man zu hohen Vergrößerungen über wird der Farbfehler des Linsensystems sichtbar, aber wer erwartet bei dem Preis die Abbildung eines Dreilinsers, der normalerweise das fast Zehnfache kostet! Der Messier ist ein Gerät, das auch für einen kleinen Geldbeutel erschwinglich ist.
Naturbeobachtung ist auch eine Option des Gerätes. Insgesamt ist es ein (fast) Allrounder, der erst bei hohen Vergrößerungen Grenzen aufzeigt.
Fotografie ist aufgrund der äußerst soliden Verarbeitung kein Problem. Der Okularauszug trägt locker eine große Spiegelreflexkamera. Die Fokussierung ist feinfühlig und geschmeidig. Es empfiehlt sich hier aber doch ein 1:10 Feintrieb, der optional erhältlich ist. Ich habe ihn zwar nicht gehabt, er würde das Scharfstellen aber doch erleichtern.
Die Bilder sprechen für sich, da brauche ich gar nicht viel Worte machen. Eine Bearbeitung ist sinnvoll  (Fotoprogramme gibt es reichlich - sogar als freeware).
Die hohen Vergrößerungen beim Mond und Jupiter benötigten dringend einer Farbkorrektur, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen! Die Aufnahmen wurden sogar PER HAND auf einem Fotostativ AZ3 nachgeführt! Man kann also auch mit wenig Aufwand eine kleine Fotomaschine aus dem "Kleinen" machen.
Galaxien, Nebel und Sternhaufen benötigen längere Belichtungszeiten, da kommt man um eine Montierung mit motorischer Nachführung nicht herum. Da verweise ich auf Bresser. Am besten lässt man sich da auch beraten. Die machen das gerne und können was, also keine Scheu!
Wenig Aufwand - viel Ergebnis!
Das Ausprobieren bezieht sich darauf, mit einem Teleskop trotz einer (Geh-) Behinderung alleine zurecht zu kommen.
Die Handhabung ist gut möglich, die Beobachtung macht Spass und hat mich schöne Stunden erleben lassen. Selber ein Teleskop zu bedienen, am Himmel spazieren zu gehen und diese wunderbare Dimension zu entdecken, ohne in eine entfernte Sternwarte oder sonst wo hin zu müssen, ist ein Stück gute Lebensqualität. Mit solch einem Gerät wird das möglich.
Hier erschließt sich eine Dimension, die gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Die Faszination des Weltalls Menschen näher zu bringen, die zwar in körperlichen Funktionen eingeschränkt sind, aber immer noch über die Schöpfung staunen können und möchten - oder auch willens sind, mental Herausforderungen anzunehmen, die die Grenzen des Denkens erweitern - das ist herausragend. Und es bietet die Möglichkeit, einfach zu genießen und Freude zu haben, in eine neue Dimension einzutauchen, die das Leben bereichert.
Reinhard Pankrath
www.astro.pankrath.eu